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14 September 2097

Die Aktion "Rettet die Erde", die im zwanzigsten Jahrhundert ins Leben gerufen wurde, wird, so beschlossen gestern die Vertreter der Erde Greenpeace Unlimited
und des Mondes Com.Tec.Corp., sowohl hier als auch auf dem Mond verstärkt weitergeführt. Der Vorsitzende der Erdregierung, Präsident von Greenpeace Unlimited dazu: "Wir haben in dem vergangenen Jahrhundert die drohende Zerstörung unserer Umwelt und die Verbrechenswelle zu dessen Beginn erfolgreich bekämpft. Das ökologische Gleichgewicht auf unserem Planeten ist wieder hergestellt. Auf der Erde sowie auf unserem nächsten Nachbarn, dem Mond, dürfen die Menschen endlich in einer zufriedenen und behüteten Gesellschaft leben. In der Konferenz haben wir Beschlüsse gefaßt, die dies zum Wohle des Bürgers auch weiterhin garantieren. Die zwei wichtigsten Erkenntnisse zu denen wir in den letzten Stunden gekommen sind: Zum Einen, wird ab nächstem Jahr die Energiegewinnung durch Kernenergie, Kernfusion und Anihilation zur Gänze verboten, da diese Methoden einfach zu gefährlich für Mensch und Umwelt sind. Zum Zweiten; wir können in unserer Gesellschaft keine Subjekte dulden, die sich nicht einfügen und dadurch die soziale Sicherheit aller gefährden, mit anderen Worten, die die Traditionen des schwarzen zwanzigsten Jahrhunderts aufs übelste weiterführen. In letzterem Punkt werden wir eng mit der Exekutive zusammenarbeiten." Umfragen haben ergeben, daß die Bevölkerung voll hinter der Regierung und ihren Beschlüssen steht. 99% der...
"Scheiße", der Mann schmiß die Zeitung beiseite und griff nach seiner Gitarre, ein prähistorisches Instrument aus dem 20.Jh. Er schlug eine Seite an. Während sie langsam verklang schloß der Mann die Augen, lies sich von der Schwingung entführen. Dann begann er, mit einem zufriedenen Grinsen ein Lied zu improvisieren. Für gewöhnlich, sowie auch heute, spielte Jokal sein Instrument um die Zeit, in der er sich sorgte zu überbrücken, oder er zupfte an seiner Gitarre herum, weil er gerade zu faul war sich mit anderem zu beschäftigen. Solch eine Faulheit übermannte ihn natürlich öfter, als daß ihn Sorgen quälten. Jokal Sele sah für einen Mann des einundzwanzigsten Jahrhunderts recht ungewöhnlich aus. Im Gegensatz zum Idealbild des modernen Mannes, groß, schlank, anmutig, leicht, war Jokal nur etwa 1,75m groß, aber ziemlich breit gebaut. Von weitem gesehen hatte eine gewisse ähnlichkeit mit einer gefärbten Karotte, welche noch zur Hälfte im Boden steckt. Seine Bewegungen waren alles andere als elegant. Sein Gang war so locker, daß, wenn man ihn beobachtete, zeitweilig das Gefühl hatte, als würde sich gleich irgend ein Teil, sei es Fuß, Arm oder auch Kopf, vom Körper lösen, einfach zu Boden fallen und dort liegenbleiben.
"Jokal, im Eingang deines trauten Heimes erwarten fünf uniformierte Personen eingelassen zu werden", meldete sich plötzlich die Türklingel mit sanfter weiblicher Stimme.
"Herein mit ihnen", Jokal erhob sich und ging zur Tür. Dort erwarteten ihn fünf Polizisten. Der ranghöchste, eine Frau, trat vor, betrachtete ihn mit abschätzendem Blick, hob eine Augenbraue. Jokals einziges Bekleidungsstück war eine Jean. Er konnte der Geste nicht entnehmen ob sie als Kompliment galt, oder die Beamte angewidert war. Er betrachtete sich auch kurz.
"Ich sehe heute unanständig gut aus", meinte er mit nachdenklicher Miene.
"Jokal Sele?"
"Zu Diensten."
"Ich nehme sie fest wegen Verbreitung gefährlicher, verbotener Ansichten." Nun war es an Jokal eine Braue zu heben. "Moment, junge Dame, dieser idiotische Beschluß tritt erst nächstes Jahr in Kraft. Also auf wiedersehen, bis nächsten Jänner." Er sprach langsam, mit beruhigender Stimme, denn er war der Ansicht, daß in den Köpfen von Leuten, die der Erdregierung dienten der Wahnsinn vorherrschen müsse. Als er ausgesprochen hatte, beendete die Kommissarin, die unterdessen unbeirrt ihre kleine Ansprache weiter vorgetragen hatte, ihren Vortrag mit den berühmten Worten, "...alles was sie sagen kann gegen sie verwendet werden." Elektronische Handschellen summten. Lächelnd fügte sie hinzu, "Den Festnahmegründen sind Beamtenbeleidigung und Fluchtgefahr hinzuzufügen." Noch immer die Gitarre auf dem Rücken wurde er aus seiner schäbigen Einzimmerwohnung eskortiert. Vor dem Mietshaus waren ein Streifenwagen und ein Gefangenentransporter in den Farben der Polizei, blau-schwarz, geparkt.
"Als wäre ich ein Schwerverbrecher und müßte lebenslang hinter Gitter"
Einer der Männer warf Jokal einen vielsagenden Blick zu. Mit einem Mal überkam ihn so ein Gefühl daß dies tatsächlich eintreten könnte.
"Ich werde vor Gericht gehen", rezitierte er mit theatralischer Geste. Das half diesen scheußlichen Gedanken zu verbannen.
"Das werden sie allerdings, Herr Sele."
"Danke für ihre moralische Unterstützung, Frau Kommissar."
"Nichts zu danken." Dann zu ihrem Trupp, "Rein mit ihm." Worauf Jokal ziemlich unsanft in den Transporter gestoßen wurde. Beinahe lautlos glitt die Tür zu. Das Magnetschloß rastete hörbar ein. Aus dem Wageninneren ertönte Jokals zweites, "Scheiße", dieses Tages.
 
"Frau Kommissar", Mercedes versuchte ihren Gegenüber zu ignorieren. Sie wollte diese Person nur für immer hinter Gitter wissen, nicht mit ihr reden. Sicher zu sein, daß Jokal Sele des Rest seines Lebens im Gefängnis verbrachte, deshalb war sie jetzt hier. Auf dem Weg zur Gefängnisinsel Great Britain, auf der so ziemlich alle gefaßten Verbrecher dieser Welt verweilten. Mercedes gehörte zur Executive der Planetenregierung und vertrat daher auch deren Ideologie. Dessen war sie sich bewust. Doch auch in Anbetracht dieser Tatsache ging ihr nicht in den Kopf, wie dieser Sele so dumm und gleichzeitig derart arrogant und selbstsicher sein konnte. Sele hätte sein Leben weiterleben können als wäre nichts geschehen. Natürlich erst nach einem zweimonatigen Aufenthalt in einer Rehabilitierungsanstallt, denn er war schließlich Kernphysiker. Aber wären der Gerichtsverhandlung mußte Sele ja auf den Tisch des Richters springen und ein Plädojer auf Kernenergie, Krieg und Selbstbestimmung halten. Weswegen ihn Kommissar Young für gefährlich hielt, war die Tatsache, daß sich Sele der Konsequenzen die sein Handeln nach sich zog anscheinend bewußt war. "Und von nun an wird Jokal Sele sein Dasein auf einer Insel fristen, deren untechnisierte, unzivilisierte Gesellschaft aus Verbrechern besteht." Mercedes schüttelte den Kopf.
"Frau Kommissar!" Sele´s Stimme drang zu ihr durch, störte ihre Gedankengänge.
"Hmm?"
"Sie könnten mir während der Fahrt die Handschellen abnehmen."
"Nein" Nach einer Pause, "Warum?"
"Sie stören mich beim Schwimmen."
Mercedes lächelte, "Sie würden es auch ohne Handschellen nicht schaffen den ärmelkanal zu durchschwimmen, Herr Sele."
Jokal schnitt eine Fratze. "Sie schaffen es sowieso nicht, Herr Sele", äffte er Mercedes nach. Dann sprang er über Bord. Die vier Polizisten blickten ihm verdutzt nach.
"Maschinen stopp. Wenden.", befahl Mercedes und sprintete sofort zur Reling um nach Sele Ausschau zu halten. Doch der war nicht zu sehen. Die Polizeifähre hatte nun jenen Punkt erreicht wo Jokal gesprungen war.
"Keine Spur von dem Gefangenen."
"Irgendwann muß er ja auftauchen um Luft zu holen." Inspektor Beikal war die Ruhe selbst. Aber Sele tauchte nicht wieder auf.
Nach einer zweistündigen, erfolglosen Suche verständigten sie schließlich das Inselkontrollcenter. "Die von der Inselkontrolle werden weitersuchen", informierte etwas später Mercedes die Besatzung, "wir nehmen Kurs auf Calais."
Was die vier nicht wußten, Jokal fuhr als blinder Passagier mit. Es war zwar nicht sehr angenehm sich am Anker festklammernd eine Bootsfahrt zu unternehmen, aber Jokal war hart im nehmen. Das dachte er zumindest als er über Bord ging. Nun, keuchen, völlig erschöpft und durchnäßt im Hafen von Calais, schossen ihm andere Gedanken in den Kopf. Er überlegte sich wie es wohl sei, sich zu ohrfeigen bist man sein Gesicht nicht mehr spürt, oder wie schön es nicht wäre jetzt für eine Stunde lang immer wieder gegen eine Tür zu laufen. Das kann später erledigt werden, überlegte er. Zuerst mußte er aus dem Wasser, sich neue Kleidung besorgen und diese verflixten Handschellen loswerden. Als er sicher war nicht beobachtet zu werden, zog er sich an der alten Hafenmauer hoch. Bevor er sich ganz an Land mühte, blickte Jokal sich noch einmal um und nahm ein vages Schimmern am Himmel war. Es vergrößerte sich rasch, wie ein schnell näherkommendes Objekt. Es gab jedoch keinen Laut von sich und schien nur dadurch sichtbar zu sein, weil es das Licht in seiner Umgebung beugte. Plötzlich tat sich der Raum auf. Jokal fiel die Kinnlade herunter. Der Boden wurde ihm unter den Füßen weggezogen.
"Moment,", überlegte Jokal, "ich werde durch die Luft geschleudert." Während er noch in hohem Bogen durch die Luft flog sah er in dem Chaos, das urplötzlich entstanden war, wie die Kommissarin gegen das Polizeiboot prallte und ins Wasser fiel. So abrupt wie es begonnen hatte, endete es auch von einem Moment auf den anderen. Jokal, noch immer in luftigen Höhen analysierte eiskalt, "Ich werde sehr tief fallen." Mit einem lautem Platsch und dem festen Vorsatz die Kommissarin zu retten verschwand er im Wasser. Ohne zu zögern und auf seine Umgebung zu achten schwamm er los. Er nahm die herunterprasselnden Holzteile, Metallsplitter und Gliedmaßen nicht war. Als er sie erreichte, drehte er sie und drehte ihren Kopf über Wasser. Da schlug nur knapp neben ihnen ein massiver Holzbalken ein. Dieser hatte wahrscheinlich einmal zu kleinen Hütte des Hafenmeisters gehört, denn dieser kam nur Sekundenbruchteile später hinterher.
 
 
"Machen sie ja keine Wiederbelebungsversuche", Young schlug ihre Augen auf. Jokal zuckte enttäuscht mit den Schultern.
"Das ist Pech. So ein Pech aber auch", murmelte er. Hoffnung regte sich in Kommissar Young. Steckte in diesem Individuum vielleicht irgendwo, tief innen drin versteckt, ein guter Kern, ein weiches Herz?
"Warum haben sie mich gerettet, Herr Sele?"
"Wie soll ich ohne sie, Frau Kommissar, Zutritt zu Forschungseinrichtungen erhalten?"
Hoffnung aus.
"Gute Frage." Young hielt diese Phrase für angemessen um sich zu verabschieden, aber sie beschloß dann doch sich Jokal anzuschließen. Er überredete sie mit ihrer Dienstwaffe und einem dümmlichen Spruch: "Der Vertreter des Gesetzes beugt sich höherer Gewalt." Jokal lachte, Young grunzte, dann marschierten sie los .
 
"Hmm, diese Störung scheint ein ziemlich großes Gebiet verunstaltet zu haben. Wir sind jetzt schon sechs Stunden unterwegs und nach wie vor befinden wir uns auf total verwüstetem Gelände."
Nach einer Weile. "Es sieht hier genauso schlimm aus wie am Hafen. Scheint nirgends ein Zentrum zu existieren. Ist viel großflächiger als ich zuerst angenommen hatte. Ich rätsle schon eine Zeit lang, was der Ursprung dieses Phänomens, das wir da erlebt haben, sein könnte. Was glauben sie, hä?"
Schweigen.
"Sprechen sie generell nicht mit bösen Menschen, oder nur nicht mit mir?"
Schweigen.
"Ihre Ausdauer ist bewundernswert. Das muß belohnt werden. Machen wir eine Pause. Sie sind sicher müde."
Sie hielten neben einem total zerfetzten Haus. Die Umgebung tat es diesem ehemaligem Haus gleich und sah sehr zerstört aus . Die Gebäude waren aber nicht einfach eingestürzt und die Bäume nur entwurzelt, wie es zum Beispiel nach einem starken Erdbeben der Fall gewesen wäre, stellte Jokal fest. Sie hatten sich regelrecht verteilt, über viele, viele Quadratmeter, als ob sie selbst explodiert wären. So ziemlich alle Bäume waren durch die Katastrophe zu Brennholz verarbeitet worden. Es sah nach Weltuntergang aus. In dieses düstere Szenario sprach Mercedes Young ihr, nach vielen Stunden erstes Wort.
"Nein."
"Nein was?"
"Ich bin nicht müde."
"Und?"
"Naja, ich... Hey, was machen sie da!"
"Eine Polizistin an eine Stange Ketten. Wollte ich schon immer mal machen."
"Aber.."
"Freuen sie sich. Ich werde nämlich jetzt eine Zeit lang weg sein."
Als Young Sprache wieder gefunden hatte, war Jokal auch schon außer Rufweite. Alleingelassen und fassungslos blickte sie ihm nach. Bald verschwand er zwischen den Trümmern.
Während Young Jokal hingebungsvoll verfluchte, sammelte dieser verschiedenste Materialien um sie auf Fremdeinwirkung wie Hitze oder Strahlung zu prüfen. Merkwürdigerweise war nichts dergleichen zu finden. Alles schien nur durch Druck geborsten zu sein, wobei der aber nicht einheitlich gerichtet war, wie beispielsweise eine Druckwelle. Als Jokal die verwüstete Stadt von einem höhergelegenen Punkt aus betrachtete, sah er, daß ein paar Häusergruppen hierhin, manche dorthin geschleudert worden waren. Einige Bauwerke waren einfach zerdrückt. Da sah er von seinem erhöhten Beobachtungsposten aus einen Flecken, welcher noch ziemlich heil war. Jokal lächelte und machte sich auf den Weg. Er achtete nicht mehr auf das Chaos rings um ihn herum. Seinen Blick starr auf einen Bezugspunkt über den noch intakten Gebäuden gerichtet marschierte er durch Schutt und Trümmer. Der Weg war weiter als er gedacht hatte und so traf er gähnend mit der Dämmerung ein.
Obwohl er hundemüde war, machte sich Jokal gleich daran, die drei weniger geschädigten Häuser nach Nützlichem zu durchsuchen. Sie wiesen kein strukturellen Schäden auf. Nur die Fenster waren alle zerstört und bei Zweien waren die Solaranlagen vom Dach gerissen. In der Hoffnung vielleicht sogar eine kleine Reisegruppe, die angenehmer als Mercedes sei zu finden, betrat er das erste Haus;
Und stolperte.
"Daß diese Leute aber auch alles herumliegen lassen."
Identifizierte.
"Einschließlich ihrer selbst."
Die Leiche die neben Jokal am Boden lag, hätte jedem Mediziner ein, faszinierend, entlockt. Der Tote lag entspannt am Boden. Seine Kleidung hatte überall kleine Risse, welche blutgetränkt waren. Die Todesursache war leicht festzustellen, den an verschiedenen Stellen war der Mann aufgeplatzt. Wie wenn lauter kleine Minibomben explodiert wären. Eine im Finger, zwei in der Brust, an der Schulter, Armen, Beinen. Trotzdem schien der Mann nicht allzuviel von seinem Sterben mitbekommen zu haben. Seine Gesichtszüge befanden sich mehr im ewigen Zustand des entspannt Seins, den der Entgleisung. Jokal kommentierte sein Aussehen mit einem vom Herzen kommenden "WäH!"
Ein wenig verärgert über den schlechten Empfang, begann Jokal weiter zu suchen.
Licht hatte er sich schnell besorgt, er war schließlich Physiker. So betrachtete er nun seine Umgebung im flackernden Schein seiner Fackel. Das Haus sah innen, wie auch außen sehr gewöhnlich aus. Der ganze elektronische Firlefanz samt Netzwerkzugang in jedem Zimmer war vorhanden. Ein Bürger des einundzwanzigsten Jahrhunderts konnte ohne Internet gar nicht existieren. Plötzlich viel ihm ein, "Der Kommissar hat ja noch sein Notebook."---"Aber wie benutzen, wenn man keine Hand freihat." Jokal mußte schmunzeln, als er sich vorstellte, wie Young mit Zähnen und Füßen an ihr Notebook zu gelangen versuchte.
Essen. Das war es was er gesucht hatte. Welch ein Anblick. Gemüse, Obst, Milch, Fleisch, Hühnchen und, und, und. Jokal schnalzte mit der Zunge. Er rieb sich die Hände. Sein Gesicht strahlte. Man sah ihm die Vorfreude auf den bevorstehenden Festschmaus an. Wäre er draußen gestanden, Mercedes hätte ihn noch aus der Ferne leuchten sehen. Die Hälfte der Lebensmittel war zwar verdorben, weil der Kühlschrank doch schon längere Zeit ohne Strom und für seinen Besitzer nutzlos dagestanden hatte. Aber das tat Jokals´ Freude keinen Abbruch. Er beschloß erst einmal etwas zu essen und dabei seine weitere Vorgehensweise zu planen.
Eine Stunde später schwirrten schon wieder eine Menge Ideen durch seinen Kopf. Seine Müdigkeit war verflogen und er machte sich unter Zuhilfenahme einer Flasche Johnny Walker die er im Zimmer der Tochter, welche auch aufgeplatzt war, gefunden hatte an die Arbeit. Das restliche noch genießbare Essen wurde verpackt. Daraufhin machte er sich auf die Suche nach Autoschlüsseln, denn er hatte zuvor in der Garage einen kleinen jedoch noch ziemlich neuen Mercedes entdeckt. Trotz seiner klugen Vorgehensweise, ein Mann hat seine Autoschlüssel in der Tasche oder in der Garage, benötigte er über eine Stunde um diese zu finden. Sie hingen nämlich am Schlüsselbrett. Jokal warf die Vorräte auf die Rückbank, stieg in den Wagen und startete.
Dann stieg er wieder aus und begann mit der Reparatur. Der Wagen war von vornherein nicht beste Qualität und durch diese erdbebengleiche Katastrophe waren sicher einige Kabel und Schläuche herausgerissen worden.
"Seit diese dämliche Autofirma das erste Mal in Konkurs gegangen ist, produzieren sie nur mehr Schrott." Jokal murmelte und meckerte in Einem durch während er alles wieder zusammenflickte. Immer wieder konnte man ein, "Hey Johnny hilf mir mal.", hören. Und Johnny Walker half. Als der Morgen dämmerte war das Auto fertig und Jokal stockbetrunken.
Der Motor heulte auf als Jokal das Gaspedal durchdrückte. Das Auto schoß nach vorne und lies eine gewaltige Staubwolke zurück. Es vollführte einen gewagten Kurs zwischen den Trümmern. Wahrscheinlich weil Jokal Worte wie ausnüchtern nicht kannte.
"Alle Polizisten sind tot, all tot. Was für ein Glück.", murmelte er immer wieder. Er hatte noch mehr Glück. Unversehrt steuerte er den Wagen bis zur angeketteten Kommissarin. Das Bremspedal behandelte er ebenso wie das Gaspedal. Nach dem Prinzip, man bewege dies nützliche Ding in seine zweite mögliche Position. Bis zum Anschlag. Beim Bremsen war die Staubwolke sogar noch größer als zuvor. Zufrieden mit sich und seinem Werk stieg Jokal aus seinem Gefährt. Da horchte er auf. Was war das für ein Geräusch? Als sich die Staubschwaden lichteten wurden ganz langsam zwei Gestalten sichtbar. Jokal blinzelte. Zwei Kommissarinnen, die beide an Stangen gekettet waren? Und alle beide krümmten sich vor husten? Eine Sinnestäuschung, schoß es ihm durch den Kopf. Laut sagte er, "Jawohl, sie sind allein."
Young blickte ihn säuerlich an, "Na no na net." Worauf sie erneut einen Hustenanfall hatte. Jokal lächelte schief, "Sie sind Astigmatikerin?" Sein Lachen wurde lauter. Er wiederholte das Wort, "Astigmatikerin", wedelte die letzten Staubschwaden weg und lachte, daß ihm die Tränen in die Augen stiegen.
"Hey, Mercedes, ich habe hier einen Mercedes."
"Erst saufen und dann Blödsinn labern. Gott wie ich verkrachte Existenzen hasse." Die Kommissarin hatte augenscheinlich während der vergangenen 24 Stunden ihre Selbstsicherheit wiedergefunden. Eine Tatsache die Jokal in seinem jetzigem Zustand aber entging.
"Würden sie bitte die Güte haben einzusteigen."
"Ich fahre. Sie sind nicht nüchtern."
"Ouh, Verkehrspolizei. Hört mich jemand. Ich bin betrunken und sitze hinterm Steuer. Haltet mich auf!" Nachdem er dies kundgetan hatte, wandte er sich um zur Kommissarin, "Zufrieden?"
Diese blieb stur.
Da Johnny Walker nicht übermäßiges Durchsetzungsvermögen verleiht, saß er 10 Minuten später am Beifahrersitz neben Young, deren Hände er mit Handschellen am Lenkrad fixiert hatte.
Die Fahrt war ziemlich eintönig. überall bot sich das gleiche Bild. Es gab nichts interessantes zu sehen und Youg hatte auch nichts interessantes zu sagen. So schlief Jokal ein. Ein Gedanke, "Außerirdische Lebensformen. In seinem Rausch träumte Jokal von wunderschönen Frauen, die spärlich gewandet in ihren Raumschiffen über der Erde schwebten. Sie hatten Mitteleuropa zerstört nur um ihn, Jokal Sele, einen der inovativsten Atomphysiker aus den Klauen der Justiz zu retten. Ein wunderschöner Traum. Dem ein jähes Erwachen folgte.
 
Er fühlte einen stechenden Schmerz zwischen den Augen. Blut rann warm um seinen Mund, tropfte sein Kinn hinunter und färbte den Boden dunkelrot. Kommissar Young lächelte boshaft, "Tut`s sehr weh? Sie hätten sich anschnallen sollen." Jokal betastete den Schnitt über der Nase, den er dem kantigen Armaturenbrett und Youngs` abruptem Stehenbleiben verdankte.
"Frauen am Steuer", bemerkte er, als er sich zu ihr drehte. Sie hingegen sah nach vorne, ins Tal das sich vor den Beiden erstreckte.
Die Zerstörung hielt sich hier in Grenzen. Es standen noch einige Gebäude und die Landschaft sah nicht länger wie frisch gepflügt aus. Von der Stadt, die hier noch vor zwei Tagen gestanden hatte, war zumindest ein kleines Dorf übriggeblieben. Sie konnten sogar Menschen erkennen, die sich zwischen den Häusern bewegten.
"überlebende. Was jetzt Herr Sele? Machen wir einen großen Bogen um´s Dorf, damit sie nicht entdeckt werden?"
Jokal grinste. "Ich bin nüchtern. Jetzt fahre wieder ich. Steigen sie bitte aus." Er öffnete die Handschellen. Sie glitt elegant aus dem Wagen. Als er selbst ihr folgte, streckte er sich, so daß seine Gelenke gehörig knackten. Er grinste noch immer. Mercedes wurde langsam nervös.
"Was erlauben sie sich! Das gehört mir. Rühren sie mich ja nicht an! Mist."
Jokal entledigte sie ihrer Jacke, Hemd, Gürtel und Stiefel. Dann durchsuchte er ihre Taschen, nahm alle Ausweise an sich und fand schließlich auch noch ihr Notebook. Sowie er fertig war, deutete er ihr mit dem Zeigefinger sich in den Wagen zu begeben.
"Was hatte das jetzt für einen Sinn? Wollen sie meine Kleider verkaufen? Glauben sie die Leute da unten haben nichts anzuziehen?"
"Denken sie nicht darüber nach. Sie werden es lustig finden. Und schnallen sie sich an." Mercedes hob verärgert ihre gefesselten Hände, "Sehr lustig"
"Youp." Er schmunzelte noch immer.
 
"Sir, ich hätte eine Frage.
"Bitte"
"Sie sind die ersten überlebenden, die ich seit dem Unglück treffe. Haben sie jemanden hier, der Recht und Ordnung repräsentiert?"
"Tja,...im Prinzip."
"Wissen sie, ich bin Bundesbeamter. Ich komme von Calais. Hier, das ist Gabriella Sele. Sie kennen diese Dame vielleicht aus den Zeitungen. Die Terroristin, welche die Atommülldeponien in Frankreich freigelegt hat."
"Abscheulich!"
"Eben. Nun, jetzt brauche ich einen Platz um sie zu arrestieren, denn zur Gefängnisinsel kann man nicht mehr rüber."
"Wir haben zwar keine organisierte Polizeitruppe mehr, aber wenn sie jetzt gerade aus fahren, zirka 300 Meter, dann nach links, äh,", der Mann kratzte sich an der Stirn, " nach ein paar Minuten kommen sie dann an einer großen Ruine mit einem hohen, schmalen Turm vorbei. Früher war das ein Hochhaus. Doch nun. Auf jeden Fall, drei Häuser weiter wohnt Peter Havcek. Er ist bei der Polizei. Der kann ihnen sicher weiterhelfen."
Hinten im Wagen begriff Mercedes endlich was gespielt wurde. Doch bevor sie etwas sagen konnte, gemahnte sie Jokal zur Ruhe, "Halten sie`s Maul, Gabriella. Sie sind nicht gefragt." Das wirkte. Hinun wandte er sich wieder dem Einwohner der ehemals gewesenen Stadt zu, "Ich danke ihnen für die Auskunft. Ich denke, ich werde mich an diesen Havcek wenden." Schon fuhren sie wieder los.
"Was sagen sie nun, Gabriella."
"Ich hasse Wissenschaftler."
"Danke."
 
"Havcek?" Pause. "Guten Tag" , Jokal schritt forsch an dem verdutzten Mann vorbei in dessen Wohnung. Er drehte sich um, blieb steif stehen und starrte seinem Gegenüber ins müde Auge.
"Kommissar Young", Ausweis unter die Nase halten.
"Sie sind einer der letzten Vertreter des Gesetzes in diesem,...", er unterbrach sich und blickte mit verkniffenem Gesicht aus einem der Fenster, "...in diesem Dorf. Sie werden mit mir zusammenarbeiten. Zuerst stellen sie eine brauchbare Polizeitruppe zusammen. Dann brauche ich ein paar Leute, die sich auf den Gebieten, Seismologie, Geologie, Chemie, Elektronik, Mikrotechnik und Physik wie zu Hause fühlen." Der völlig überrannte Havcek fand in der Pause, die Jokals` Rede nun folgte, endlich genug Zeit um sein Kinn wieder hoch zu klappen. Er entwickelte sogar so etwas wie Courage.
"Darf ich fragen warum?" Ein bitterböser Blick von Jokal. "Sir", fügte der nun wieder in den Dienst gestellte Polizeibeamte hinzu.
"Dieses Dorf hier liegt am äußersten Rand eines Gebietes von über 10´000 km², das von irgend einer noch nicht bekannten Kraft vollständig zerstört wurde. Und jetzt bringen sie mir die Leute. Anschließend stellen sie die Ordnung in diesem Nest wieder her."
"Jawohl, Sir" Man sah Havcek an, daß er verärgert war, oder gar mehr. `Er haßt mich´ dachte Jokal, `ergo, er akzeptiert mich als Kommissar.´ Fröhlich pfeifend, schlenderte er zurück zum Wagen.
"Sie haben was versäumt." Jokal half Mercedes aus dem Auto und geleitete sie in Havceks Wohnung.
"Mein Hauptquartier. Ich bin jetzt Leiter einer Untersuchung des unbekannten Phänomens die ich soeben angeordnet habe. Wenn sie jetzt keinen Aufstand machen, sind sie nicht nur dabei, wenn dieses Rätsel vor Ort gelöst wird. Nein, sie können sogar einen Teil dazu beitragen."
"Sie sprechen wie ein Vertreter."
"Ich laufe ihnen hier ja nicht weg. Außerdem wären sie mein Assistent. Ansonsten müßte ich sie als den gemeinen Verbrecher, der sie ja jetzt sind, ins Kittchen stecken. Also, helfen sie mir?"
"Habe ich eine Wahl?"
"Ich auf ihr Wort verlassen?" Diese Frage wurde mit einem derart bösartigem Funkeln ihrerseits bestraft, daß Jokal fast sein Herz in die Hose rutschte. Nur Betrunkene waren gegen solche Blickkontakte gefeit. Das Thema konnte man damit als erledigt betrachten.
 
"Welches Projekt?"
"Sir, ich verstehe nicht."
"Herbert du Denker. Jemand hat bei seinen Spielereien fast ganz Frankreich zerstört, ohne jegliche Reststrahlung. Geniale Waffe. Auch wenn das wieder nur so ein Spinner war der eine neue Energiequelle suchte. Seine Suche dürfte beendet sein. Also Herbert, welches Projekt?"
"Aber.."
"Sandigman!!" Alexander Rosk war an der Kippe wütend zu werden. Er war Minister für innere Sicherheit. Vor diesem gab es bei Greenpeace Unlimited keine Geheimnisse. Und doch wollte man ihm gerade den Zugang zu einer, von seinem Standpunkt aus gesehen, fantastischen Waffe verwehren. Herkömmliche Bomben die die fähig waren solch große Flächen zu verwüsten , waren Nuklearwaffen und kontaminierten daher immer das Zielgebiet, welches dann nicht sofort okupiert werden konnte. Aber diese Methode, die er gerade erlebt hatte. Nur zerstörtes Land. Ein Traum. Ein paar Teams waren gerade damit beschäftigt die Auswirkungen zu analysieren. So sah Rosk das jedenfalls.
"Also?", fuhr er seinen Lakaien zum wiederholten Male an. Sandigman suchte einen Ausweg. Sein direkter Vorgesetzter verlangte Unmögliches. Es gab keine Projekte auf diesem Gebiet. Auf welchem Gebiet? Sie waren ja noch dabei zu untersuchen was das denn war. Doch Sandigman wäre nicht der geborene Speichellecker gewesen, wenn ihm nichts eingefallen wäre um seinen Chef zu beruhigen.
"Mr. Rosk. Ich habe gerade eine Verbindung zu dem Team, welches das Experiment durchführt. Sie sind jetzt im Randgebiet der zerstörten Zone und bitte um Unterstützung bei der Fortführung ihrer Untersuchungen."
"Na also, geht doch." Rosk entspannte sich wieder. Sandigman rannen die Schweißperlen von der Stirn. Er mußte nur noch verhindern, daß besagte Gruppe nicht zuviel Aufmerksamkeit seitens des Ministers bekam.
"Sir, das Forschungsprojekt wird von einem unserer Leute geleitet. Kommissar Young."
"Kenn ich nicht."
"Guter Mann. Wir können die Sache getrost in seine Hände geben."
"Gut. Gewähren sie ihnen Unterstützung. Aber schicken sie noch eine weitere Gruppe in das Zentrum der Explosion. Ich will Ergebnisse!"
"Ja Sir." bestätigte Sandigman eilig. Rosk ging. Endlich. Sandigman atmete aus. Fürs` erste war die Gefahr gebannt. Fürs` erste.
Jokal saß, wie sehr oft in letzter Zeit bei seiner Gitarre und überlegte. Er wandelte nicht, wie man meinen könnte auf naturwissenschaftlichen Gedankenpfaden. Nein, er überlegte sich neue Lieder. Jokal hatte nämlich eine Theorie entwickelt. Wenn er nach wochenlangem überlegen und Tüfteln einer Problemlösung noch immer keinen Deut nähergekommen war, beschäftigte er sich mit anderen Dingen, wie Kunst oder Frauen. Er hörte natürlich nicht auf weiter Daten zu sammeln und auszuwerten, aber er zerbrach sich nicht mehr seinen, wie er glaubte Karakterkopf, darüber. Es passierte dann meistens irgend etwas und das half. Auch dieses Mal geschah wieder was. Doch es half absolut nichts.
Mercedes stürzte zur Türe herein. Ihr Gesicht vor Aufregung gerötet. Sie atmete schwer. Jokal sprang auf. `Die Gitarre wirkt´, dachte er bei sich und gestattete sich ein kleines Lächeln.
"Was ist? Erzähl schon!", deutete er Mercedes mit einer weitausholenden Bewegung seiner Hände. Diese holte erst einmal tief Luft. Jokal wurde immer ungeduldiger. Endlich öffnete sich ihr Mund um die Worte, "Hallo Strahlemann", in die Welt zu schicken. Jokals` Gesichtszüge vollführten eine Notbremsung. Von dem rechten Auge ausgehend breitete sich langsam aber beständig ein Gebiet des Unglaubens, ob Mercedes` Bemerkung und der Lässigkeit mit der diese vorgetragen worden war, aus.
"Schau nicht so blöd. Ich bin sauer, nicht du." Insgeheim lachte sie sich ins Fäustchen. Endlich hatte sie diesen Sele einmal aus der Fassung gebracht. Er war bis zu diesem Zeitpunkt immer absolut gelassen aufgetreten, als hätte er alles was kam erwartet. Selbst als sie nach über einem Monat noch immer keine neuen Anhaltspunkte für ihre Forschungen hatten, war er noch die Ruhe selbst. Mercedes hingegen war es nicht gewohnt sich Zeit zu lassen. Für eine Ermittlungsbeamte war es Pflicht, gefährliche Objekte so schnell wie möglich verschwinden zu lassen. Ihr Arbeitgeber, Greenpeace Unlimited, hatte schon recht, wenn er behauptete, "Lieber eine Person zuviel aus dem Vekehr gezogen, als das Leiden vieler Unschuldiger zuzulassen." Jokal war nicht der Erste, der versuchte sich mit ihr anzulegen und er würde bestimmt auch nicht der Letzte sein. Nein. Sobald er dieses Problem mit dem Erdbeben gelöst hatte und Mercedes von ihrem Versprechen, ihn zu unterstützen befreit war, würde sie sich seiner annehmen. Und dann gnade ihm Gott. Ihre Mundwinkel verhärteten sich. Sie setzte zu einem grimmigen Grinsen an.
"Wie bitte?", verdutzt kehrte sie zurück in die Wirklichkeit.
"Was ist los? Nun erzählen sie schon!" Jokal hatte sich wieder gefaßt.
"Ich habe Nachforschungen angestellt."
"Strahlemann", murmelte Jokal und schüttelte den Kopf. Das gefiel Mercedes. Energisch sprach sie weiter, "Hören sie doch zu. Ich habe, wie gesagt, Nachforschungen angestellt."
"Wieso?", war Jokals erste, dämliche Frage.
"Ich kann ja nicht untätig sein."
"Warum nicht?" Zweite dämliche Frage.
"Na weil ich vielleicht nicht nur sinnlos herumstehen möchte, eure Unwissenheit."
"Sie sind Polizist." Diese Feststellung hatte etwas entgültiges, dem nichts entgegenzusetzen war. Mercedes lies sich aber nicht beirren. Sie hatte etwas unglaubliches herausgefunden, "Ich bin seit einigen Wochen Leiter einer Forschungsgruppe, die am Rande der Alpen die Auswirkungen eines Unfalls untersucht."
"Toll, die könne nicht weit weg sein. Vielleicht hat diese Gruppe ein paar neue Ergebnisse."
"Das sind wir. Idiot.", fauchte ihn Mercedes an. Jokal blickte sie an, wie ein Vater seine Tochter, die ihrer Phantasie wieder einmal freien Lauf gelassen hatte. "Aber Fräulein Young, woher sollte denn ein hoher wichtiger Mann, der zweifelsohne solche Aufgaben verteilt, den Aufenthaltsort ihrer unwichtigen, verlorengegangenen Person kennen. Geschweige den meinen." Mercedes drohte zu explodieren. Ihre Mimik durchlief alle möglichen Zustände des Zornes, des Hasses, einen nach dem anderen. Dieser Kerl beleidigte sie und genoß das auch noch, weil sie Polizist war. Aber sie konnte ihn nicht verhaften. Sie hatte ihm ihr Wort gegeben und dieses war Gold wert. Selber Schuld Mercedes. Der Zorn brodelte. Doch sie beherrschte sich. "Wer hat sich denn als Kommissar Young mit Terroristin vorgestellt.?" Jokal zog seine Schlüsse aus der ihm vorliegenden Information. Er stellte fest, "Stimmt."
Das war zu viel. Mercedes machte auf dem Absatz kehrt, "Idiot, verdammter." Wütend, mit gesenktem Kopf und geballten Fäusten stapfte sie davon. Jokal berührte das nicht im geringsten. Er war schon wieder in Gedanken versunken.
 
"Nun gut, man sollte jeden Vorteil nutzen." Jokal saß allein im Computerraum. Die Spezialisten, die er vor geraumer Zeit angeordnet hatte, waren noch immer nicht gekommen. Er knackte mit den Fingern. "Jetzt wo ich offiziell dabei bin, wollen wir doch einmal sehen was meine Kollegen schon Herausgefunden haben." Seine Finger rasten über das Keyboard. Er stellte eine Verbindung zum GCC, Greenpeace Cordination Center her. "Schau mal einer an. Ich bin also die ganze Bodentruppe." Er forschte weiter. Dabei sprach er laut mit. "Experiment, französische Alpen. Bodenteam, Mercedes Young plus eine Gruppe aus Mathematikern und Physikern. Ich bin eine Gruppe. Toll. Zweck, Waffentest. Lächerlich." Als er jedoch las, daß sein Team diese Tests durchführte, kam er ins Grübeln. Er suchte weiter und brachte dabei Fakten ans Tageslicht, die sogar ihn in Staunen versetzten.
Da öffnete sich langsam die Tür zum Computerraum, jemand betrat unbemerkt von Jokal die dunkle Kammer. "Bist du gelähmt.", entfuhr es ihm gerade. Hinter ihm hörte er ein Pfeifen. Er wirbelte herum. Die Kommissarin stand dort, eine Augenbraue gehoben. Plötzlich wurde sie selbst hochgewirbelt. Jokal hatte sie in die Arme genommen. Sie wußte nicht wie ihr geschah. "Der erste Kontakt!", rief er, "Außerirdische!", und tanzte mit ihr durch den Raum.
 
Eine extraterrestrische Lebensform. Unglaublich. Unglaublich in einem anderen Sinn, nämlich unmöglich, war das für Jokal`s Team. Dies bestand momentan nur aus Mercedes Young, denn die von Jokal angeforderten Wissenschaftler waren noch immer nicht eingetroffen. Mercedes aber arbeitete bei der Polizei. Was soviel hieß wie, sie gehörte zu jenen Personen, die fantastische Ideen nicht in Betracht zogen, so etwas erst gar nicht zuließen. Mercedes hatte also keinen Grund zum Tanzen. Aber das fiel ihr erst am darauffolgenden Morgen beim Frühstück ein.
"Außerirdische", sie schlurfte ihren Kaffe.
"Was?!" Havcek, der Gastgeber riß seine verschlafenen Augen auf. Er war in den letzten paar Wochen ein wenig durcheinandergebracht worden. Zuerst vernichteten gewaltige Explosionen seine Heimatstadt, daraufhin wurde er wieder in den aktiven Polizeidienst gestellt und jetzt faselte die Terroristin etwas über Außerirdische. Er blickte zum Kommissar. Beinahe flehend. Seine Augen sagten, Bitte sag ihr sie soll`s Maul halten, die Welt ist doch in Ordnung. Auch Mercedes, für Havcek Gabriella Sele, blickte den Kommissar erwartungsvoll an. "Ja." Mehr konnte er nicht sagen, da legte Gabriella auch schon los, "Kleine grüne Männchen, hmm? So ein Unsinn. Es gibt keine kleinen grünen Männchen da oben. Denken sie mal nach, Mann. Wie sollen die zu uns herkommen. Die brauchen eine Ewigkeit um von irgendwelchen Sternen zu uns her zufliegen, hab ich mir sagen lassen. Keiner lebt so lange.
"Gabriella,...", setzte Jokal in einem erklärenden Tonfall an. Weiter kam er nicht. "Nichts da, du möchtegern Intellektueller. Erklär mir mal. Wenn die Sterne so alt sind und es die Menschen erst so kurz gibt, warum sollen die dann gerade jetzt kommen? Das ist doch ziemlich unwahrscheinlich, oder nicht." Zufrieden, überlegen sah sie ihm in die Augen. Ihre Arme hatte sie vor der Brust verschränkt. Das hatte gesessen. Sie hatte es diesem Wissenschaftler gezeigt.
Die Frau hat recht, dachte auch Havcek. Warum gerade jetzt? Warum nicht schon früher, oder später. Sein Kopf schwenkte wieder zum Kommissar. Dieser sah gelangweilt aus. Läßt sich wohl von Terroristen nicht beeindrucken. Der Kommissar sagte nur, "Warum nicht.", und Havcek verstand die Welt nicht mehr.
 
Es folgte nun eine lange Zeit des Denkens, Brütens, des Grübelns und auch der Verzweiflung. Letzteres weil sich Jokal zwischendurch der schier unmöglich zu lösenden Aufgabe stellte, seine Aufpasserin, Young, von der möglichen Existenz außerirdischer Lebewesen zu überzeugen. Als er nach geraumer Zeit der Forschung wieder einmal an einem toten Punkt angelangt war, widmete er schon mehr Zeit der Kommissarin als dem Phänomen.
"Sinnlos,", sagte Jokal, "so wird das nichts. Sie müssen logisch denken. Eins nach dem anderen. Also,..."
"Logik, Logik.", unterbrach ihn seine Gesprächspartnerin barsch. "Kennen sie denn nichts anderes? Ich finde es überhaupt nicht logisch anzunehmen, daß sie nicht von der Erde kommen, weil Du weißt, daß sie nicht von der Erde kommen."
Jokals Gesichtszüge boten ein Beispiel grenzenloser Fassungslosigkeit. Er konnte seiner Gegenüber einfach nicht folgen.
"Meine Dame, ich weiß um die Ursache der vielen kleinen und großen Explosionen. Große, sehr unterschiedliche Gravitationspotentiale auf sehr kleinem Raum. Das wirkt auf Materie. Wumm. So was macht keiner auf der Erde."
"Und wenn doch?"
Und wenn doch, ja überlegt die denn nicht, war Jokals erster Gedanke.
"Er wäre dann sehr mächtig. Wir würden das merken. Glaub mir."
"Phha!"
"Nun, ich hoffe Fakten wirst du zugänglicher sein."
"Welchen Fakten?" Mercedes traute dem nicht ganz. Mit beträchtlichem Stolz präsentierte Jokal jetzt seinen neuesten Geniestreich. Er erklärte ihr sozusagen was Sache ist.
"Ich"
Pause
"Ich bequemte mich, ein kleines Programm zu entwickeln, welches mir, natürlich mit den notwendigen Daten wie Ort der Explosionen, zerstörtes Material, dessen Dichte, elastische Eigenschaften und so weiter. Ja, äh, wo war ich?"
"Das Programm." Mercedes lachte.
"Genau, das Programm." Jokal räusperte sich.
"Ich habe ein Programm entwickelt, mir eine Struktur des destruktiven Gravitationspotentials errechnet."
"Und das ist dann ein kleines grünes Männchen." Mercedes konnte sich nicht mehr halten vor Lachen. Sie fiel vom Stuhl. Ein resignierender Blick von Jokal. Dann prustete auch er los.
 
Eine Woche später, als der Computer Jokals` Rechenaufgabe bewältigt hatte, blieb Mercedes das Lachen im Halse stecken.
"----?", sagte sie, den Mund sperrangelweit offen, die Augen drohten ihr herauszukullern und sie vergaß zu schniefen. Das hatte zur Folge, daß ihr ganz langsam ein kleines Rinnsal Schleim die Nase runterlief. Es legte einen gefahrenvollen Weg, vorbei am Mundwinkel zurück und drang bis zu Mercedes` kleinem, rundlichem Kinn vor. Jokal betrachtete die junge Kommissarin belustigt.
"Eine Ungläubige wird bekehrt. Haha!"
 
Zur gleichen Zeit betrachtete auch Herbert Sandigman das Ergebnis von Sele`s Kunstgriff. Herbert war zwar ein Schleimer, Aber kein Ungläubiger. Deshalb reagierte er völlig anders, nämlich sehr schnell.
"Gut diesen Spinner zu überwachen", lobte er sich erst einmal selbst.
Daraufhin, "Alice! Alice, holen sie mir sofort den Minister für innere Sicherheit. Ich will ihn persönlich sprechen. Sagen sie ihm es sei überaus wichtig. Nein, stop. Sagen sie ihm Greenpeace Unlimited ist bedroht."
Erst später, während er auf Rosk wartete, machte er sich Gedanken darüber wie ein einfacher, dummer, - er wußte daß die Exekutive nicht übermäßig intelligent war, weil ein so mächtiges Werkzeug nicht viel denken durfte -, Kommissar ein wissenschaftliches Projekt leiten und dabei derartiges leisten konnte. Er beschloß auch diesen Gedankengang Rosk zu unterbreiten.
 
Wumm! Tür auf. Ein kurzer Windstoß fährt in das kleine Büro. Der Minister für innere Sicherheit, Alexander Rosk, hinten drein. Ein böser Mann. Momentan ein sehr böser Mann. Bitterböse. Dieser Mann schien dazu geboren, böse zu sein. Er war ein mittelgroßer unglaublich hagerer Mann. Das hohlwangige Gesicht und die hohen, ausgeprägten Backenknochen harmonisierten mit seinem kohlrabenschwarzen Haar und den dunkelbraunen, ja fast schwarzen Augen. Düster.
"Gott sei Dank haben wir Kleidung", dachte Sandigman, "Wenn der nackt durch die Straßen laufen würde, könnte er die Kinder als Krampus erschrecken. Auch bei Tag." Er mußte bei dem Gedanken an die verängstigt vor dem nackten Rosk davonlaufenden Kinder schmunzeln.
Wumm! Tür zu. Windstoß.
Sandigman zuckte zusammen. Schuldbewust, oder auch aus Gewohnheit. Das wußte keiner. Auch nicht Alexander Rosk, der nun das Zentrum des Büros bildete und Funken sprühte.
"Was soll das, Herbert. Wer bedroht Greenpeace. Was, wann, warum, und wieso weiß ich nichts davon?"
"Jetzt wissen sie`s ja.", war die etwas schüchtern vorgetragene Antwort. Ein gewaltiges Brüllen folgte. "Belehren sie mich nicht! Erzählen sie, Mann!" So legte denn Herbert dem Minister seine überlegungen dar. Das Gespräch, welches die Beiden daraufhin führten dauerte lange.
Länger als Mercedes benötigte, um sich wieder zu sammeln. Sie ließ sich jetzt endlich von Jokal bekehren. Dieser hielt ihr einen kleinen Vortrag mit den abschließenden Worten, "wir müssen uns mit ihnen verständigen."
Auch Rosk und Sandigman kamen nach einiger Zeit auf einen gemeinsamen Nenner.
"Abschießen!"
"Abschießen?"
"Ja. Oder auflösen, zerstückeln, zerstäuben, was weiß ich. Wir werden eine Waffe entwickeln müssen, Herbert. Sie stellen noch heute ein Team zusammen. Und dann, an die Arbeit. Ich will Resultate. Bald!"
"Was ist mit Kommissar Young und seiner Gruppe?"
"Ach ja, sie denken daß da etwas faul ist?" Rosk war zwar aufbrausend und bei seinen Untergebenen gefürchtet, aber er war nicht dumm. Vernünftigen überlegungen war er immer zugänglich.
"Also?"
"Nun ja, Herr Minister, ich habe mich gefragt, wie ein Kommissar, der doch eigentlich nicht viel denkt, so großartige Forschungsarbeit leisten kann."
Rosk blickte fragend. Er hatte keinen Schimmer worauf Sandigman hinaus wollte, "Er hat ein Team."
"Eben nicht, Herr Minister. Das ist dort noch nicht eingetroffen."
Aexander Rosk begann zu verstehen. Wahrscheinlich sah man ihm das an, denn Sandigman wurde mutiger. Er fuhr fort, "Aus diesem Grund habe ich Nachforschungen angestellt."
"Und?"
"Kommissar Mercedes Young ist eine Frau und kein Mann."
"Unglaublich. Kommissar Young ist eine Frau. Genau das habe ich befürchtet. Wie schrecklich. Jetzt kommen sie schon auf den Punkt. WAS IST SACHE!"
"Ah, ja , also,..." Dieser Ausbruch hatte Herbert aus der Bahn geworfen. Rosk wartete auf die Antwort. Ungeduldig.
"äh, sir. Ein Verbrecher namens Jokal Sele gibt sich als Kommissar Young aus und hat die Sache mit der Forschung in die Hand genommen."
Zack. Das saß. Damit hatte der Minister nicht gerechnet. Und genau aus diesem Grund wußte er jetzt auch nichts zu sagen. Nur Sekunden später hatte er sich wieder gefaßt. "Verhaften."
Nach einer Weile. "Kein Prozeß, sofort auf die Insel transportieren."
"Jawohl, Herr Minister."
Rosks` Befehl, Jokal betreffend wurde prommt ausgeführt. Eine Woche später hatte Jokal, Mercedes und ein paar andere "verdächtige" Bürger der einmal gewesenen Stadt, sicher ist sicher, ein neues Zuhause. Die Gefangeneninsel, ehemals Großbritannien.
 
Mercedes wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sie war spärlich gekleidet, denn Kleider waren auf der Insel schwer zu bekommen. Sie hatte früher gedacht das Leben als Kommissar wäre anstrengend. Aber das war nicht im Vergleich zu ihrem jetzigen Dasein, wo sie für ihren Unterhalt stehlen, rauben, kämpfen, sogar töten mußte. Plötzlich stutzte sie. Irgend etwas stimmte nicht. Sie blickte sich um. Nur Jokal war in der Nähe. Von dem ging keine Gefahr aus.
Der Himmel. Der Himmel war falsch. Er war keine Kugel mehr, hatte eine andere, unnatürliche Form. Sie deutete Jokal nach oben zu sehen.
"Was ist das.", rief sie, den Blick fasziniert hinauf gerichtet. Jokal brauchte nicht lange eine Erklärung zu suchen. Er hatte dies schon einmal gesehen.
"Sie versuchen Kontakt aufzunehmen."
"Mit wem?"
"Mit uns, Schätzchen. Aber es wird nicht funktionieren."
In diesem Augenblick zerbarst die Welt.
"Diese Aliens haben`s wohl ein wenig übertrieben", hätte Jokal jetzt wohl gesagt, wenn noch gelebt hätte.


30 March 2020 (00:41)
Christian Stütz
Kurt Tichy Gasse
Wien